Licht am Horizont by Noël Alyson & Alyson

Licht am Horizont by Noël Alyson & Alyson

Autor:Noël, Alyson & Alyson
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Page & Turner
veröffentlicht: 2014-06-05T06:35:53+00:00


Zweiundzwanzig

Dace

Ich mache die Tür zu meiner schuhschachtelgroßen Wohnung hinter mir zu und weiß, es wird nicht mehr lange dauern, bis ich sie zum letzten Mal schließe.

Obwohl mir Leandro ein Zimmer im Gebäudekomplex angeboten hat, habe ich aus gutem Grund abgelehnt.

Genau wie bei Leftfoot ist auch bei Leandro alles eine Prüfung. Er mag ja über die Maßen stolz sein auf die in mir heranwachsende Dunkelheit, doch er vertraut mir nicht komplett. Die ganzen Jahre, die wir voneinander getrennt gelebt haben, verbunden mit meinen unverhohlenen Drohungen, lassen sich erst mit der Zeit allmählich überbrücken.

Nachdem ich auch bereits meinen Anspruch auf mein Erbe angemeldet habe, ist es außerdem am besten, nicht gleich von vornherein allzu profitgierig zu erscheinen. Er ahnt ja nicht, dass ich mitnichten vorhabe, mich mit der Hälfte zu begnügen. Nicht, wenn ich den ganzen Kuchen haben kann.

Ich setze mich hinters Steuer meines Mustangs, der mittlerweile in coolem Kirschrot lackiert ist und einen Motor unter der Haube hat, der schnurrt wie ein Panther. Ein Geschenk von Leandro, der meinte, kein Richter mit ein bisschen Selbstachtung sollte in einer solchen Kiste herumfahren.

Erstaunlich, was ein bisschen Magie und ein dickes Bündel Geldscheine an einem Auto ausrichten können.

Ich nehme den langen Weg zum Rabbit Hole und mustere die Umgebung mit der befriedigenden Gewissheit, dass sie nicht mehr lange so heruntergekommen aussehen wird. Es gibt Hoffnung für Enchantments Zukunft. Auch wenn ich selbst nicht mehr dazugehören werde, beabsichtige ich, meinen Stempel zu hinterlassen.

Meine Gedanken werden durchs Klingeln des Handys unterbrochen, doch sowie ich sehe, dass es meine Mutter ist, stelle ich es auf stumm.

Seit dem Tag in der Höhle haben sich die Stammesältesten rar gemacht. Doch trotz ihrer Warnungen weigert sich Chepi nachzugeben. Sie hält daran fest, dass ein Teil meines alten Ichs erhalten geblieben ist.

Obwohl sie damit durchaus recht hat, begreift sie nicht, dass dieser Teil inzwischen so reduziert ist, dass ich es nicht riskieren kann, mit ihr zu sprechen, geschweige denn sie zu treffen, selbst wenn es nur für einen letzten Abschiedsgruß wäre.

Das Monster in mir ist von einer unstillbaren Gier nach Beute erfüllt, und es macht keinen Unterschied zwischen seinen Opfern. Ich nehme diese Drohung sehr ernst, und wenn sie weiß, was gut für sie ist, nimmt sie sie auch ernst.

Daire hat mir einmal von dem Abend erzählt, als sie Cade nachspioniert hat, indem sie ihre Seele mit einer Kakerlake verschmolzen hat. Dabei hat sie gesehen, wie er sich mit denselben rohen, blutigen Tierfetzen vollgestopft hat, die er auch Kojote zum Fressen gegeben hat. Damals fand ich diese Geschichte widerlich.

Aber jetzt knurrt mir schon der Magen, und mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur daran denke.

Auch wenn ich mich noch nicht auf diese Ebene hinab­begeben habe, wird der Drang mit jedem Tag stärker.

Komisch, dass mir nun, da ich mich verwandle, auf einmal alles an meinem Bruder einleuchtend erscheint. Sein Drang zu töten, zu fressen und zu zerstören, entspricht genau meinem eigenen und lässt ein Gefühl der Solidarität entstehen, das ich früher nie für möglich gehalten hätte.

Das heißt allerdings nicht, dass ich ihn nicht töten werde.



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